4 Gründe warum du beim Deutschsprechen nicht weiterkommst
Hier eine typische Situation, die dir wahrscheinlich sehr bekannt vorkommt:
Du willst was sagen und startest mit den ersten Wörtern. Dann beginnt die Blockade: Du suchst ein bestimmtes Wort, die Grammatik und du wirst unsicher, ob man dich versteht. Dann fragst du dich noch, was die anderen vielleicht denken, wenn du so schlecht sprichst.
Ich verstehe dich nur zu gut. Denn dieses Gefühl kenne ich selbst. Hier erkläre ich dir die Gründe, warum du mit deinem Deutsch – und vor allem beim Deutsch SPRECHEN – nicht weiterkommst.
1. Perfektionismus
Du willst in dem Moment am liebsten alles perfekt und richtig sagen, Schritt für Schritt und schön geordnet die Grammatikregeln benutzen. Aber das geht nicht, weil die Grammatik komplex ist.
Und zack, landest du bei Google.
Du versuchst herauszufinden, wie die Grammatik und die Wörter in deiner Muttersprache funktionieren, damit du exakt das sagen kannst, was du sagen willst. Aber du SAGST es ja nicht. Du liest es im Handy ab. Du bist für den Moment erleichtert. ABER: Du hast es sofort wieder vergessen.
Die Konsequenz: Der Lerneffekt, der gerade angefangen hatte – ohne Google – ist weg. Weil du wieder in deiner Sprache bist, du du eh schon kennst.
Das Problem ist also gar nicht deine Unsicherheit. Sondern das, was du in dem Moment tust, um die Unsicherheit in Sicherheit zu verwandeln. Und das bremst dich:
- Problem 1: Du willst einen direkten Vergleich zu deiner Muttersprache oder zum Englischen haben.
- Problem 2: Du willst ins Englische übersetzen
- Problem 3: Du willst das, was du nicht verstehst, am liebsten auswendig lernen, um es dann anzuwenden.
2. Angst vor Fehlern
- Wie heißt das Wort?
Die Suche nach dem richtigen Wort kann einen so richtig verrückt machen. Du kennst das Wort in deiner Muttersprache, aber nicht in Deutsch.
Du kannst nicht alle Wörter kennen, denn du lernst die Sprache ja noch.
Mach stattdessen das: Versuche ein anderes Wort zu benutzen, auch wenn es nicht passt. Zeig es mit den Händen, mit deiner Mimik. Siganlisiere deinem Gesprächspartner, dass du das Wort suchst. Er oder sie kann dir so helfen.
ABER: Wenn dir dein Gesprächspartner auf Englisch helfen will, sage “Stop, bitte nur auf Deutsch. Denn nur so kann ich es richtig lernen.” Das ist ganz ganz wichtig.
- Benutze ich die richtige Verbform?
Du bist dir unschlüssig, ob du das Verb richtig konjugiert hast oder ob das Verb in der richtigen Zeitform steht. Du konjugierst, suchst die richtige Zeit und hörst auf zu sprechen.
Mach stattdessen das: Überleg 3 Sekunden. Sag das Verb und signalisiere deinem Gesprächspartner, dass du dir nicht sicher bist. Dann hilft er oder sie dir vielleicht automatisch.
- Sind alle Wörter in der richtigen Position?
Manchmal ist es ärgerlich, dass sich die Position des Verbs im Deutschen ändert: im Hauptsatz auf Position 2, im Nebensatz am Ende. Und dann bist du total verwirrt. Verständlich!
Mach stattdessen das: Überleg 3 Sekunden und sag langsam deinen Satz. Es ist nicht schlimm, wenn er falsch ist.
- Benutze ich den richtigen Artikel?
Du fragst dich: Wie weiß ich, welcher Artikel der richtige ist? Woher weiß ich, dass der Tisch ‘der’ Tisch ist. Tisch ist doch ein Gegenstand und Sachen sind doch neutral, dann heißt es „das“, oder?? So ist es doch auch im Englischen!
Diese ganze Fragerei und die Suche nach einer sinnvollen Erklärung ist meist vergeblich.
Mach stattdessen das: Überleg 3 Sekunden, sag einen Artikel und frage dann, ob der Artikel richtig war. Vielleicht bekommst du auch direkt die Antwort von deinem Gesprächspartner.
Die Artikel sind extrem wichtig. Stimmt. Man muss sie lernen. Da geht auch kein Weg dran vorbei. Aber du musst sie nicht spontan im Gespräch richtig machen. So, wie du regelmäßig isst, solltest du auch regelmäßig die Artikel zu jedem Nomen lernen. UND: Du musst sie einfach regelmäßig anwenden, mit Fehlern.
Hier geht’s zu den Artikel-Regeln.
3. Neue Situationen
Ist das nicht immer so im Leben? Wenn uns etwas Neues erwartet, wir nicht wissen, was auf uns zukommt, dann werden wir leicht nervös. Das können selbst die kleinsten Dinge im Alltag sein wie z. B: ein Telefongespräch mit einer fremden Person. Dass wir nervös werden und uns unsicher fühlen, ist also an erster Stelle total normal. Wichtig ist jedoch, dass man mit der Unsicherheit umgehen kann und sich nicht daran festklebt
4. Selbstzweifel
Du bist verunsichert von den ganzen Leuten um dich herum, die die Sprache gut sprechen und hast Angst vor dem Urteil anderer. Sie sprechen gut, du aber bist vielleicht noch nicht ganz so weit. Aber merk dir: Jeder hat seinen eigenen Rhytmus und lernt auf seine eigene Art und Weise. Die einen sind vielleicht schneller, die anderen etwas langsamer.
Genau diese Gedankenspirale blockiert dich.
Zu was führt das alles?
Das führt vor allem dazu, dass du selbst das, was du eigentlich gut sagen kannst, nicht ganz so spontan und selbstsicher sagst. Dein Selbstbewusstsein beim Sprechen sinkt und du bleibst lieber stumm. Wenn du nicht sprichst, dann siehst du auch keine Fortschritte. Ein Teufelskreis. So entsteht der Bumerang-Effekt.
Bumerang-Effekt: Es passiert genau das Gegenteil von dem, was du vorhattest. Du hast vor, perfekt Deutsch zu lernen, aber weil du unsicher bist, sagst du gar nichts oder wechselst direkt ins Englische.
Dass du nach Wörtern und der richtigen Grammatik suchst und du unsicher wirst, ist ganz natürlich. ABER: Dass es dich blockiert und du dann nicht mehr weitersprichst, das muss nicht passieren.
4 Lösungsvorschläge für mehr Selbstvertrauen beim Sprechen
Hier bekommst du 5 Tipps, wie du mehr Sicherheit und Selbstvertrauen gewinnst und endlich freier Deutsch sprichst. Du hörst auf, dich zu sehr an der richtigen Grammatik festzubeißen und denkst am Ende nur noch deutsch.
1. Respektiere jede Sprache als individuell!
Sei dir im Klaren, dass die Grammatik in jeder Sprache anders ist, die Regeln je nach Sprache variieren und ein anderer Wortschatz vorhanden ist. Allein schon der ‘’Satzaufbau’’ ist in allen Sprachen anders. Also sei dir bewusst, dass du niemals einen Satz eins zu eins in die Zielsprache/Muttersprache übersetzen kannst.
2. Übe, in der Zielsprache zu denken!
Das wird anfangs wahrscheinlich etwas schwierig, aber du wirst nach einiger Zeit merken, dass du irgendwann automatisch viel spontaner auf Deutsch reden wirst. Dazu gibt es eine Reihe von Übungen. Z. B. : Erzähl deinen Tagesablauf auf Deutsch, Mach Frage-Antwort-Übungen, Beschreib Bilder, Videos, Filmszenen.
3. Sprich! Mach Deutsch zu deinem Alltag!
- Hab keine Angst vor Fehlern.
Lass dich nicht davon abhalten, zu sprechen, auch wenn du das, was du sagen möchtest, nicht ganz korrekt formulierst. Fehler sind da, um aus ihnen zu lernen. Es ist auch nicht schlimm, wenn du mal nicht die Gelegenheit hast, mit jemandem auf Deutsch zu sprechen. Sprich einfach mit dir selbst oder in Gedanken auf Deutsch.
- Lerne die Sprache so realitätsnah wie möglich.
Das kann ein Smalltalk mit dem Nachbarn sein. Frag ihn oder sie, wie es ihm geht, was er heute gemacht hat und rede z. B. über das Wetter. Lies Dinge im Geschäft, auf der Straße, in der U-Bahn. Nimm das alles als Lerninput. Konfrontier dich mit deinen eigenen Unsicherheiten. Sei dir bewusst, dass das eben zum Lernen dazu gehört. Du kannst nur lernen, was du vorher nicht konntest.
So wird Deutsch ein fester Bestandteil deines Tages.
In der Schule lernen wir oft immer als erstes die Grammatik und wenden sie dann durch Übungen an. So ist das aber im wahren Leben nicht. Sie befähigen dich nicht, die Grammatik im spontanten Gespräch zu benutzen. Das mussst du separat üben, immer wieder.
4. Lass dich nicht einschüchtern
Wenn du etwas nicht verstehst, sollte es für dich kein Grund sein, pessimistisch zu werden. Es gibt in jeder Sprache eine Umgangssprache. Sei dir bewusst, dass es auch mal heißen kann ‘’hab’s erledigt’’ statt „Ich habe das jetzt erledigt“‚. Du wirst selbst vielleicht irgendwann mal an den Punkt gelangen, wo du Wörter und Sätze abkürzt, weil du die Sprache schon so gut beherrschst.
Bleib konsequent im Deutschen, egal wie die anderen gucken und egal wie unwohl und unsicher du dich fühlst.
Alle diese Übungen werden dir dabei helfen, auf Deutsch zu denken. Wichtig ist, dass du es regelmäßig machst.
Warum Mut wichtiger ist als Perfektion
Das A und O beim Deutschsprechen ist das Tun, nicht das ständige Analysieren und Übersetzen.
Das Sprechen kommt beim Lernen an erster Stelle. Deshalb solltest du immer Mut dazu haben, zu sprechen. Ob richtig oder falsch, viel oder wenig, gut oder schlecht sollte dabei erstmal keine Rolle spielen. Denn: Fehler machen gehört zum Prozess – das Ziel ist Kommunikation, nicht Perfektion. Die Perfektion kommt nur mit Fehlern. Du musst Fehler machen, um zu lernen. Wenn du nichts falsch machst, kannst du nichts perfektionieren.
Stell dir das wie das Radfahren vor: Du fällst erst oft hin, bevor du sicher fährst.
Der Punkt, an dem du viel mehr verstehst und du plötzlich mehr sagen kannst, kommt IMMER. Du wirst den Fortschritt bis dahin wahrscheinlich erstmal gar nicht mitbekommen. Da passiert was wie in einer Pandora-Box. Das merkt man erst, wenn man an dem Punkt ist. Zwischendurch merkst du nichts. Hab Geduld! Bleib dran! Und gib nicht auf! Mach Deutsch zu deinem Alltag, so wie essen und schlafen.
Sei zuversichtlich, dass du es bald geschafft hast viiiel sicherer zu sprechen.
Mein TOPP-Tipp für dich
Ich weiß, du denkst jetzt: “Wann wird die Zeit kommen, bis ich das alles richtig sage und mich sicherer fühle?“
Meine Antwort:
Die Zeit WIRD kommen! Keine Sorge. Akzeptiere Deutsch, wie es ist, ohne ständig zu analysieren und ohne alles zu übersetzen. Je öfter du sprichst, desto vertrauter wirst du mit den Artikeln, Zeitformen, der Satzposition, den richtigen Wörtern. Mit jedem Tag, an dem du einfach drauf lossprichst, wirst du sicherer. Denk an die Pandora-Box ; )
Ganz herzlich,
Deine Büşra
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Büşra Taş
Ich habe Deutsch auf Lehramt studiert und bin Lehrerin im Team SprachPassion. Meine Muttersprachen sind Türkisch und Deutsch. Lies hier mehr über mich: About.
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